„Bei nächster Gelegenheit würde ich gerne mit euch allen meine Heimatstadt besuchen.“
Das hat mein Vater oft gesagt. Aber meine ältere Schwester und ich nahmen die Sache nicht so ernst und erwiderten ihm einfach nur: „In Ordnung, Vater! Lasst uns hinfahren, wenn wir später Gelegenheit dazu haben.“
Diese Gelegenheit ergab sich jedoch nicht so leicht. Nach meiner Heirat besuchte ich meinen Vater regelmäßig, aber es war schwierig, sich die Zeit zu nehmen, um ihn in seine Heimatstadt zu bringen. Einer der Gründe, warum es uns schwerfiel, zusammen seine Heimat aufzusuchen, war, dass er nicht gut zu Fuß gehen konnte.
Von Jahr zu Jahr vermisste mein Vater seine Heimatstadt immer mehr:
„Ich möchte dorthin fahren, bevor ich sterbe. Übrigens empfinde ich auch große Sehnsucht nach meiner älteren Schwester.“
Als ich den aufrichtig wehmütigen Blick in seinen Augen sah, wusste ich, dass ich es nicht länger aufschieben konnte. Ein schlechtes Gewissen bedrückte mich, weil ich ihn mit vielen Ausreden vertröstet hatte, ohne zu wissen, wie sehr er sich dorthin begeben wollte. Ich nahm seine Hände und drückte sie zu, indem ich ihn ganz herzlich um Entschuldigung bat: „Es tut mir leid, lieber Vater. Wir hätten schon längst hinfahren sollen. Fahren wir doch in diesen Sommerferien zu deiner älteren Schwester in Naju!“
Meine Schwester und ich stimmten unsere Ferientage aufeinander ab und machten einen Plan.
An dem Tag, an dem wir endlich nach Naju, der Heimatstadt meines Vaters, fuhren, war er so aufgeregt wie ein kleiner Junge bei einem Schulausflug. Als ich ihn so glücklich sah, fühlte ich mich sehr gut.
Mein Schwager fuhr uns nach Naju, was vier Stunden dauerte. Ich wusste nicht, warum wir so lange brauchten, um dorthin zu fahren, obwohl es gar nicht so weit war.
Sobald wir das Haus meiner Tante erreichten, sagte mein Vater mit aufgeregter Stimme ganz laut:
„Meine liebe Schwester, ich bin endlich da!“
Eine ältere Frau, die wie mein Vater aussah, kam aus ihrem Haus herausgerannt, mit einem Freudenschrei:
„Oh, mein Herzensbruder, du bist nun da!“
„Liebe Schwester!“
Mein Vater schien zu vergessen, dass er einen Stock zum Gehen brauchte; er warf seinen Stock weg und lief zu ihr. Sie umarmten sich voller inniger Freude.
„Warum hast du’s so lange gebraucht? Ich habe dir doch gesagt, du sollst öfter kommen!“
„Das werde ich von nun an tun, liebe Schwester!“
Sie hielten sich lange an den den schwieligen Händen fest und fragten sich, wie es ihnen inzwischen ergangen war.
Mein Vater blieb im Haus meiner Tante und unterhielt sich mit seiner Schwester über verschiedene Anliegen. Ich hatte ihn noch nie so glücklich gesehen; er zauberte sich die ganze Zeit ein breites Lächeln ins Gesicht.
Das schien mir zu sagen, was eine Heimatstadt bedeute. Es ist ein Ort, den jeder Mensch immer vermisst, mit einem beinahe unstillbaren Verlangen, dorthin zurückzukehren. Es ist ein Ort, an dem wir unsere Brüder und Schwestern treffen und unsere herzzerreißenden Sehnsüchte stillen.
Ich vermisse meine Heimatstadt, wo ich mit Himmelsvater und Himmelsmutter und meinen Glaubensgeschwistern zusammen sein werde. Wenn ich an diesen Ort denke, bin ich sehr glücklich. Ich stelle mir den Tag vor, an dem ich in mein himmlisches Zuhause zurückkehre und mit einem glücklichen Lächeln auf dem Gesicht darüber spreche, wie sehr ich mich nach diesem Ort gesehnt habe.