Eines Morgens war ich spät dran. So verließ ich hastig das Haus, als es schon fast Zeit für die Schule war. Vor lauter Eile verlor ich aber auf der Treppe das Gleichgewicht. Zum Glück war ich nicht ernsthaft verletzt. Im Krankenhaus sagte man mir, dass es mir bald wieder besser gehe, wenn ich meine Aktivitäten auf ein Minimum beschränke, wobei ich nicht einmal im Traum daran dachte, dass dies ein Problem für mein tägliches Leben sein würde.
Doch im Gegensatz zu dem, was ich dachte, war mein Alltagsleben voller Unannehmlichkeiten und in allerlei Hinsicht ein einziges Durcheinander, nachdem ich mir den Knöchel verstaucht hatte. Aus den zehn Minuten, die für den Schulweg genügten, wurden zwanzig und manchmal bis zu dreißig Minuten, und ich hatte nach wie vor etliche Mühe, die Treppe zu benutzen. Abgesehen von den Schmerzen war es schwierig, alles ohne fremde Hilfe zu erledigen, denn ich lebte allein.
Dann rief mich meine jüngere Schwester an. Es schien, als hätte meine Mutter ihr erzählt, was passiert war, und sie sagte, sie verstehe, wie ich mich fühlte, weil sie sich auch schon einmal ein Bein gebrochen habe, und sie tröstete und munterte mich mit liebevollen Worten auf. Als ich mit ihr sprach, war mir zum Weinen zumute; die unterdrückte Traurigkeit brach auf, und gleichzeitig tat mir meine Schwester leid.
Vor einigen Jahren lag sie im Krankenhaus, weil sie sich bei einem Autounfall ein Bein gebrochen hatte. Während dieser Zeit ging ich jeden Morgen ins Krankenhaus, um ihr im Auftrag meiner Mutter, die beschäftigt war, etwas zu essen zu geben. Ich fühlte mich durch diesen Botengang genervt, weil ich früher als sonst aufstehen musste, um im Krankenhaus vorbeizukommen. Selbst als ich dort ankam, machte ich keinen Hehl aus meinem Verdruss über diesen Besuchszwang. Aber sie lächelte mich immer an, auch wenn ich bei schlechter Laune ein langes Gesicht machte.
Erst nachdem ich verletzt wurde, konnte ich verstehen, wie unreif meine Handlungen und Worte waren. Sie war es, die verärgert war, aber ich beschwerte mich darüber, früh aus den Federn kriechen zu müssen. Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr schämte ich mich.
Ich war auch in der Lage, über meinen geistlichen Zustand nachzudenken. Ich wollte mich doch durch Selbstfragen vergewissern, ob ich Gottes Worte befolgte, unsere Brüder und Schwestern wie mich selbst zu lieben. Obwohl ich davon überzeugt war, Gottes Worten zu gehorchen, habe ich nie wirklich ermutigende Worte ausgesprochen, geschweige denn mein Mitgefühl für sie gezeigt, wenn sie an Krankheiten litten oder eine schwierige Zeit durchmachten. Ich war zwar die älteste Tochter, aber ich benahm mich sowohl körperlich als auch geistig bzw. geistlich sehr unreif, ohne mir dessen überhaupt bewusst zu sein.
Das möchte ich von nun an ändern. Da ich im Nachhinein eine äußerst wertvolle Lektion in Sachen Geschwister- bzw. Nächstenliebe gelernt habe, möchte ich jetzt als eine reife und zuverlässige ältere Schwester wiedergeboren werden und mich liebevoll um meine leiblichen und geistlichen Geschwister kümmern.